Seelina Teil 1

Seelina Teil 1

WENN SEELENPARTNER IHRE REISE PLANEN

Schön ruhig war es in der blauen, kuscheligen Sofaecke im Seelenhimmel, darüber war Seelina ganz schön froh. Ausruhen konnte sie sich, manchmal führte sie ein gutes Gespräch, manchmal auch ein ganz wichtiges. Und dann gab es wieder Zeiten, da sagte sie nichts, verweilte einfach nur in ihrem Sein. Oder sie überdachte, was sie bisher schon so alles erlebt hatte und was sie davon noch ergänzen möchte.

Manchmal stand sie auf und betrachtete aus dem Fenster des Erholungszimmers die Seelen, die gerade auf dem Weg zu ihrem neuesten Abenteuer waren. Ein bisschen Bewunderung kam schon auf und es juckte ja auch ein bisschen, sich ihnen wieder anzuschließen. Jeden Tag wurde es ein bisschen mehr und schließlich beschloss sie, dass es nun Zeit wurde für weitere Experimente auf dem doch irgendwie speziellen Erdenplaneten.

So packte sie ihr Erinnerungs- und Weisheitsköfferchen und betrat kurz darauf ganz aufgeregt den Seelenbesprechungs-Raum. Als hätte sie es nicht schon geahnt, dort wartete ihre Seelenfamilie schon auf sie, die den Raum Kraft ihrer Gedanken in eine Bar verwandelt hatten, und die erste Runde Himmelsschnaps war auch bereits bestellt! „Es ist doch jedes Mal das Gleiche“, sagte sie und schüttelte mit dem Kopf.

„Aber dieses Mal bleibe ich nüchtern, solange die Aufgaben verteilt werden“, dachte sich Seelina. „Jetzt passe ich gut auf, dass ich es nicht nochmal so übertreibe wie beim letzten Mal. Und wehe, sie wollen mich wieder überreden, ich bin gut gerüstet, auch mal Nein zu sagen!“

Schon wurde der Himmelsschnaps gereicht und alle Seelenfamilienmitglieder hoben die Gläser: „Auf eine erfolgreiche nächste Runde! Mögen wir die besten Erfahrungen machen, bei anderen einen guten Eindruck hinterlassen, Neues erfolgreich lernen und richtig viel Spaß haben!“

Doch es sollten noch weitere Seelen erscheinen. Die Tür ging auf und eine zweite Familie trat vollzählig ein.

Seelina waren nicht alle Mitglieder auf Anhieb bekannt, aber eines berührte sofort ihr Seelenherz.

Mein treuester Gefährte, mein bester Meister, mein dankbarster Schüler, mein Goldstück“ dachte sie, während die Liebe zu Julius direkt und unmittelbar den Raum füllte.

Sofort wusste er, dass Seelina bereits anwesend war und es genügte eine leichte Drehung nach rechts, um ihr den seit Längerem ersten vertrauten und innigen Blick zuzuwerfen, den sie aufgeregt erwiderte.

Auf dem Bartisch lagen mehrere dicke Stapel kleiner Kärtchen verteilt. Auf ihnen stand zum Beispiel sowas wie „Dreiecksbeziehung wiederholen“, „Vertrauen wiederfinden“, „Ein paar Jahre mit sich alleine sein“, „An Angst vor Nähe erinnern“, „Verlustangst heilen“, „Zur eigenen Größe stehen“, „Durch großen Schmerz zur größten Freiheit kommen“, „Weisheit an das Kollektiv vermitteln“, „Kinder von klein auf ermutigen“, „Echte Heimat finden“, „Vergeben lernen“, „Abhängigkeit auflösen“, „Durch Kunst Herzen berühren“, „Mißstände aufdecken“, „Selbstbewusstsein verlieren und wieder entdecken“ oder „grenzenlose Liebe erfahren“.

Natürlich gab es noch viele mehr, aber das würde hier den Rahmen sprengen.

Jetzt klingt das ja auf den ersten Blick ganz einfach, also zumindest für alle Geübten. Aber auf den zweiten Blick war es schon komplexer. Denn es wurden nicht nur die Aufgaben verteilt und manche bekamen gleich mehr als die Mindestanzahl davon, weil sie so eifrig ihre Hand hoben. Sondern es wurde auch vereinbart, wer da genau mit wem und wann in Kontakt kam, um so eine Aufgabe auch wieder in Erinnerung zu bringen!

Denn auf der Erde war das mit dem Gedächnis so eine Sache. Ziemlich oft ging das Wissen über diese Seelenbar-Absprachen gleich schon zu Lebensanfang wieder flöten. Manchmal weil der Schreck so groß war über den zurückhaltenden Erstempfang in der auserwählten Familie, manchmal weil die Seele das so wollte, um besonders stark zu wirken. Denn im Seelenhimmel sagt sich vieles ganz schön leicht, so ohne die ganzen Umstände die ein Menschenkind erfährt.

Außerdem wurde auch darauf geachtet, dass sich die noch recht jungen Seelen nicht total übermütig Karten aus dem Stapel für die reifen Seelen nahmen. Das gelang aber nicht immer, die ein oder andere von ihnen war schon ziemlich gewitzt für ihr Seelenalter und manche wollten einfach nicht auf den Rat der erfahrenen Seelen hören, weil sie das für Unfug hielten.

Seelina kam nun endlich an die Reihe und es strahlten ihr aufgeregte und begeisterte wie euphorische Gesichter entgegen, also die meisten jedenfalls.

„Kein Wunder“, dachte sie. „Haben sie ja auch fast alle kräftig beim HImmelsschnaps zugegriffen. Der ist aber auch so lecker, mit diesem unglaublich feinen Himbeeraroma!“ philosophierte sie leise vor sich hin.

„Seelina, du bist dran!“, rief ihr ihr bester Seelenfreund Julius aus der Mitte seiner Familie heraus zu.

„Gut, aber heute nehme ich wirklich nur 3“, antwortete sie und sah ihn liebevoll an.

Man muss dazu sagen, dass es zwei Arten gab, die aktuellsten Aufgaben für die Zeit im Menschenkörper zu ermitteln. Man konnte ganz gezielt hinsehen und nach dem ersten Wohlgefühl zugreifen oder man ließ den zum Seelenalter passenden Stapel an Karten umgedreht und zog so mehr oder weniger ins Blaue hinein seine Herausforderungen.

Wobei die wichtigsten Seelenspielgefährten schon auch dafür sorgten, dass sich die Karten dabei auch an der richtigen Stelle befanden. Wie genau sie darauf Einfluss nehmen konnten, das war Seelina noch nicht ganz klar, obwohl sie diese Abläufe schon so oft beobachtet hatte.

Sie entschied sich dann doch ganz spontan dafür, zu den etwas Mutigeren zu gehören und zog aus dem umgedrehten Stapel wie gewünscht nur 3 Karten heraus. „Und?“ fragte Julius ganz aufgeregt.

„Echt jetzt?“ murmelte Seelina in sich hinein, „Eigentlich war das ja klar“.

Sie räusperte sich, um nicht allzu enttäuscht zu wirken und sagte dann mit möglichst klarer Stimme: „Also, herzlichen Glückwunsch Julius, ich habe die große Begeisterung dir zu verkünden (sie verkniff es sich, mit den Augen zu rollen), dass du mich zum 283ten Mal an meine große Angst, dich zu verlieren, erinnern darfst.

Ich habe aber auch die große Hoffnung, dass es dann wirklich mal gut ist. Und dass ich dieses Mal schnell entdecke, dass wir in unserer letzten Inkarnation schon wieder diesen Schwur von uns gegeben haben, nie wieder alleine bleiben zu wollen!“ Was auf den beiden anderen Karten stand, verriet sie ihm nicht sofort.

Julius nickte und seufzte. „Ja, das war vielleicht nicht unsere beste Idee. Also lösen wir ihn schnellstmöglich wieder auf, damit uns die Seelenglocke der Erinnerung nicht mehr so lange im Ohr klingelt. Die ist ganz schön nervig, löst sie doch den alten Schmerz der Trennung so konsequent wieder aus. Und dann werden wir mißtrauisch oder kleben energieraubend aneinander. Oder noch schlimmer, einer von uns klammert wegen dieser Urangst an einem ganz Fremden und kann deswegen den anderen nicht wirklich in sein Leben lassen!

Das sollten wir dieses Mal wirklich vermeiden!“ sagte er.

„Ich bitte dich darum. Lass es uns jetzt in die Hand versprechen, dass wir uns dort unten in die Augen sehen und sofort wissen werden, wer wir sind. Und das wir uns die größte Mühe geben, jeder von uns – hörst du! – jeder, den alten Schmerz zu verwandeln und in Heilung zu bringen.

Weil ich dich so sehr liebe, gebe ich dir nun mein Einverständnis für unsere erneute, gemeinsame Erdenreise. Auch wenn du noch 2,5 Jahre hier bleibst und deinem ausgewählten Ehrenamt nachgehst, während ich vorauseile.

Wir sind schließlich gut gerüstet mit unseren Seelenpartner-Landkarten!“ sagte Seelina.

Julius war unglaublich aufgeregt, wollte er nicht zum Thema machen, dass es davon ja keine Kopien gab. Wer diese Landkarte irgendwo unterwegs verlor, hatte nun echt nicht gerade den Sechser im Himmelslotto gewonnen. Denn es gab von so ziemlich allen Himmelsdokumenten Sicherheitskopien, aber von einem der wichtigsten gab es keine. Bisher kam wohl auch noch niemand auf die Idee, das zu ändern.

Er küsste sie ganz zärtlich auf die Stirn, nahm ihre Hand und brachte sie in den nächsten Raum, den letzten, bevor das Abenteuer Erde wieder seinen Lauf nahm.

In vorwiegend ausgelassener Aufbruchsstimmung bekamen nun die Seelenfamilien ihre Seelenausweise mit neuem Gültigkeitsdatum übergeben – bis auf die, die sich noch ein bisschen Zeit lassen wollten oder erst später ihren Erdeneinsatz hatten.

Ein unglaublich schöner, weißer Engel verteilte sie an jeden Reisenden persönlich und versuchte, sich dabei mit dem Schmunzeln zurückzuhalten. Wusste er doch genau, wie das am Ende wieder „dort unten“ ablief.

Er hatte sich inzwischen entschieden, lieber hier im göttlichen Himmelsfeld zu Diensten zu sein und Trost oder Aufmunterung an die Neuankömmlinge zu spenden, wann immer sie gebraucht wurden…

Fortsetzung folgt (vielleicht)

~Rebekka Gutmayer~

→ Meine Texte dürfen sehr gerne geteilt werden!

Wenn du einen Artikel kopieren willst, dann bitte unverändert und mit der Quellenangabe: https://rebekka-gutmayer.com/blog

Teile den Beitrag auf