Aber ich will ihn doch nicht verlieren!
Es ist Samstag morgen, 9 Uhr. Adam hat noch immer nicht angerufen.
„Wo steckt er nur? Er wollte sich doch melden! Gestern war er auch seltsam drauf, so genervt irgendwie. Was er wohl hat?“
… und du tippst: „Lieber Adam, ist alles ok bei dir? Ich vermisse dich!“
Samstag abend, 22 Uhr. Von „ihm“ weit und breit keine Spur, kein Anruf, nix.
„Er war doch gestern auf dieser ominösen Veranstaltung, wer weiß wer ihm da begegnet ist. Die Schöne von gegenüber wollte doch auch dorthin. Ach herrje. Kein Lebenszeichen, das ist zwar nicht ganz untypisch, aber jetzt werd ich unruhig. Was ist, wenn er mit ihr…?“
… du schreibst gleich den frühen Sonntags-Wurm fangend: „Guten Morgen Liebster, wie ist die Lage? Ich könnte dir einen starken Kaffee vorbeibringen, was hältst du davon? Ich schicke dir viele Küsse!“
Gleicher Tag, 10 Uhr. Dir ist bereits der Toast runtergefallen und deine Laune ist auch schon am Boden. Nada, keine Nachricht. Kein Rückruf, kein Mail, Adam ist wie vom Erdboden verschluckt und du schüttelst dein Handy, um es vorsichtshalber auf seine Funktionstüchtigkeit zu überprüfen.
„Also jetzt hört der Spaß aber auf. Was fällt ihm eigentlich ein? Freitags war alles noch so harmonisch, mein Herzblatt machte doch Zukunftspläne, schmiegte sich an mich und erzählte mir, wie gut ich ihm tue. Ganz im Gegensatz zu seiner Ex, die ihr kaltes Herz bestimmt aus Alaska hat. So lieb war er doch und so aufmerksam.“
Und du bringst dich in Erinnerung: „Adam-Schatz, jetzt mache ich mir aber langsam Sorgen!“
Darauf folgt am gleichen Abend noch: „Ich kann dir auch eine warme Hühnersuppe kochen, wenn du krank bist! Und wenn du es noch heißer möchtest, im Schrank hängt noch ein Krankenschwester-Kostüm ;-)“
und schiebst irgendwann im Laufe der Nacht noch ein verzweifeltes: „Aaaaaaaaaadaaaaam, was hab ich denn falsch gemacht?“ hinterher.
Das ist Variante 1 von 2697 möglichen. Du versuchst also (mehr oder weniger krampfhaft) deine Präsenz in Adams Leben aufrecht zu halten – warum er tatsächlich nicht antwortet, kann die unterschiedlichsten Gründe haben.
Diese Situation ist natürlich nur stellvertretend, es gibt noch viele andere, in denen du z.B. dein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit über dein Bedürfnis nach Eroberung stellen kannst.
Aber warum machst du das in dieser Intensität?
Glaubst du, dass …
- du ohne ihn nicht mehr glücklich wirst?
- diese Begegnung Schicksal sein und du ihm nachhelfen musst?
- du um einen Partner kämpfen sollst?
- es keinen zweiten Adam für dich gibt, niemals wieder?
- du einer möglichen Konkurrenz vorbeugen musst?
- du dafür Sorge zu tragen hast, dass er dich nicht vergisst? Oder:
- das Liebe etwas mit überdurchschnittlicher Anstrengung zu tun hat?
Deine Werte „Unabhängigkeit, Geduld, Vertrauen, Gelassenheit und Flexibilität“ räuspern sich zwar auffällig und bald husten sie dir auch aus der Ecke gewaltig was zu, aber du ignorierst sie. Deine innere Frau steht stirnrunzelnd neben dir und schüttelt auch auffällig den Kopf, aber du tust so, als wär sie nicht da. „Den Dingen ihren Lauf lassen“ ist für dich ein merkwürdiger Satz aus einem Science-Fiction Roman der 80er.
Dafür ist die Überschrift dieses Artikels in meinen Beratungen einer der meistgehörten Sätze von richtig toughen Frauen, mitten im Leben stehend:
Aber ich will ihn doch nicht verlieren!
Jaaaa…aber.
Was gewinnst du, wenn dich jemand respektlos oder ignorant behandelt?
Was gewinnst du, wenn du um deine Bedürfnisse strampeln musst?
Was gewinnst du, wenn du vielleicht mehr in die Liebesschale legen willst als er?
Was gewinnst du, wenn du deine eigenen Grenzen wiederholt überschreitest?
Was du wohl verlieren kannst ist die Illusion, die du auf den armen Adam projizierst, weil er vielleicht deiner Gesamt-Vorstellung von einem perfekten Mann gerade am Nähesten kommt – bis eines Tages womöglich (noch unvorstellbarerweise) Bernd (oder Claude) auf dem Landeplatz deines Herzens einfliegt ;-)).
Aber doch nicht einen Menschen – das Universum verliert nichts, ein Mann purzelt ja nicht einfach so von diesem Planeten.
Wer oder was spricht in solchen Situationen aber wirklich aus dir?
Es könnte ein Anteil sein, der oft erwähnt dann doch häufig wieder in der Versenkung der Nichtbeachtung verschwindet. Ein Anteil, der sich nach dir und deiner Aufmerksamkeit sehnt und dir aus der Tiefe deines Unterbewusstseins heraus auffällig oft zuwinkt und auch schonmal richtig ärgerlich oder ohnmächtig wird – und versuchen kann, sich seine Unsicherheiten und Bedürfnisse von außen bestätigen zu lassen. Einer, der Angst hat. Angst davor, wieder verlassen zu werden oder auch (wieder) alleine zu bleiben.
Der Haken daran ist, dass dich richtig ausgeprägte Verlustängste jeder Art auf Dauer abhängig vom Verhalten anderer, vor allem das des auserwählten Lieblingsadam, machen können.
Mein Buchtipp, wenn du dich irgendwo in der obigen Situation wiederfindest:
Das Kind in dir muss Heimat finden – von Stefanie Stahl.
Wenn dich dein eigenes Handeln nervt oder dich solche Situationen sehr unglücklich werden lassen – hilfst du dir zu Anfang schon damit, dir bewusst(er) zu werden, was du mit deinen Aktionen tatsächlich erreichen willst und es einfach mal nur zu beobachten.
Auch richtig alte Gewohnheiten lassen sich verändern 😉
~Rebekka Gutmayer~
P.S.: Ich kann nicht immer alle Eventualitäten berücksichtigen. Nimm dir bitte nur das, was für dich (jetzt) stimmt.
P.P.S.: Solltest du die beschriebenen Nachrichten als übertrieben empfinden, ist das pure Absicht. 😉
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