Sei du selbst – wenn nicht du, wer dann?

Sei du selbst – wenn nicht du, wer dann?

Eine Frage, die mir oft gestellt wird, lautet:

„Wie soll ich mich jetzt meinem Lieblingsmann gegenüber verhalten? Soll ich mich melden, abwarten oder ihn einfach ignorieren?“

Jetzt mal Butter aufs Brot: ich verstehe die Frage und auch die Verunsicherung dahinter total gut – und da spielt es erstmal auch gar keine Rolle, ob es ein Seelenpartner ist, ob ihr euch verabredet habt, um voneinander zu lernen oder zusammen zu leben oder beides.

Du erinnerst dich (unter anderem) immer wieder an dein Verhalten in Situationen aus deiner Kindheit, während dein Lieblingsmann diese abgespeicherten Erfahrungen auf Knopfdruck weckt, wenn auch eher selten beabsichtigt.

Wir wurden alle mehr oder weniger darauf getrimmt, immer möglichst brav zu sein. Still, leise, niemandem auf die Nerven gehend, graue Maus mit Schweigezertifikat. Das geht mit allen möglichen (und unmöglichen) Mitteln und Methoden, die sich Erwachsene bei Überforderung einfallen lassen.

Wir waren ihnen vielleicht zu viel, zu laut, zu neugierig, zu aufmüpfig, möglicherweise auch zu wütend, zu schrill, zu extrovertiert.

Früh übt sich, wer angepasst sein will. Oder soll.

Es gibt Instanzen, die innerlich zu uns sprechen: die einen zeigen mit dem Finger auf „die Zurückhaltende“ und sagen: „Haha, du und Liebe, Erfolg und Abenteuer?“ Das innere (verunsicherte) Kind lässt grüßen!

Die nächste Stimme flüstert zur „Miesepetra“ in uns „Du darfst nicht laut werden, du darfst kein Zankapfel sein, du musst dich im Griff haben, du musst über den Dingen (und den Launen des Herzensmannes) stehen!“ Der innere Kritiker sagt mal wieder streng „Hallo.“

Es gibt auch eine Instanz, die passt auf, dass eine weitere Verletzung möglichst vorzeitig erkannt und verhindert wird. Die hilft dann, schnell auf stur, laut oder Rückzug zu schalten.

Keine dieser Stimmen ist dein Feind. Auch dein Ego nicht. Es gibt nichts zu bezwingen oder zu besiegen. Aber es kann dir helfen, darauf zu achten, welche sich gerade einschaltet und die Führung übernimmt. Du kannst sie mit einbeziehen und den Freund darin finden – das, was sie dir mitzuteilen haben und zeigen möchten.

Mit „Sei du selbst“ meine ich übrigens nicht die angeblich spirituellen „Spezialisten“, die propagieren, dass Ehrlichkeit ja so wichtig ist und sie so unglaublich echt mit sich selbst und der Welt sind, wenn sie ihre Stimmung(sschwankung) anderen vor die Füsse kippen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Das ist nicht authentisch, das ist einfach eine „wunderbare“ Rechtfertigung für manche Menschen, ihren Frust ungefiltert an anderen auszulassen.

Authentisch zu sein bedeutet zu zeigen, was in dir vorgeht. Wenn du es kannst und willst. Wenn es nicht klappt, dann geht sogar das in einem Einzeiler zu kommunizieren:

„Ich kann gerade nicht.“ Das braucht keinerlei Rechtfertigung oder Angaben von Gründen und dafür brauchst du dich auch nicht zu schämen!

Authentisch zu sein bedeutet, dir all deine Gefühle zuzugestehen und dich zu trauen, sie und damit dich mit deinen Erwartungen, deinen Bedürfnissen, mit all deinen Schwächen zu zeigen. Das hat aber nichts mit einem „Nudelholz der Vorwürfe“ hinterm Rücken zu tun, das nur darauf wartet, bei nächster Gelegenheit zum Einsatz zu kommen und auch nichts mit einem Klammeräffchen. 😉

Das andere Extrem – die Geschichte der Bedingungslosen Liebe – ist ein schönes Ziel, aber höchstwahrscheinlich für die meisten auf einem anderen Stern erreichbar. Wir sind Menschen, mit allem, was dazu gehört. Und dazu kommen noch diverse äußere Reize und Einflüsse.

Es geht nicht darum, perfekt zu werden, sondern dich daran zu erinnern, wer du WIRKLICH bist. Mit ebenso wunderbaren Eigenschaften, Talenten und Fähigkeiten!

Dein Lieblingsmensch kennt das auch. Er hat genau wie du innere Stimmen und Instanzen, die dafür sorgen wollen, das(s)

  • alles beim Alten bleibt – das Vertraute ist einfacher als jede Veränderung
  • sich Schwächen oder vermeintliche Fehler zu öffentlich zeigen – es könnte schließlich ein Idealbild zerstört werden
  • Liebe sicher und kontrollierbar bleibt – damit ja kein Riss ins Idealposter des Superhelden (wahlweise Ritter) oder der starken Frau (wahlweise Prinzessin) kommt

Aber mit Liebe hat das alles weniger zu tun. Liebe ist einfach nur.

Wenn du dich fragst, ob du dich melden sollst oder nicht, dann lass doch mal die Liebe entscheiden. Ganz unabhängig davon, wie es ausgeht.

Und wenn es nicht klappt und doch ein Kontrollzwang oder eine Angst aus dir hervorbricht und eine der anderen inneren Stimmen lauter ist als die Liebe in dir, dann ist das so. Denn das ist Leben! Es steckt in jedem von uns.

Du kannst nicht immer wissen, was er sich gerade wünscht. Oder womit du ihm nicht auf den Schlips trittst. Umgekehrt gilt das Gleiche. Er ist genausowenig für deine Erwartungen zuständig, wie er verantwortlich dafür ist, mit welchem Fuß du heute aufgestanden bist.

Deswegen ist eines der größten Geschenke im menschlichen Miteinander die Kommunikation.

Wir können uns ausdrücken. Mit Mimik, mit Gestik, mit Körperhaltung. In Worten, in Bildern, in Briefen, in Gebärdensprache, mit dem großen Zeh wackelnd.

Wir haben die Möglichkeit (bei eigenem Interesse daran) immer wieder in die nächstbeste (Kommunikations)Version von uns selbst zu kommen.

Etwas weniger aus den Schubladen Vorurteil und Vorwurf, etwas mehr authentisch, etwas mehr ehrlich. Etwas mehr Risikobereit, etwas mehr deutlich, etwas mehr verzeihungsfreudig, etwas mehr verständnisvoll für die eigenen Macken & Prozesse und die des anderen.

Wie bei einem Hefekuchen, der langsam aufgeht. Wenn du die Backofentür zu früh öffnest, fällt er in sich zusammen (schlecht ist er deswegen noch lange nicht). Also ein bisschen Geduld mit dir selbst bitte.

Deinem Lieblingsmenschen kann es helfen, das Gleiche zu tun. Kann, nicht muss. 🙂

~Rebekka Gutmayer~

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